Kriegsende

Das geschenkte Tirolerhütchen und das geklaute Weihnachtsbäumchen

Von Karl-Heinz Ganser

Im Frühjahr 1945 kehrten wir in unser Heimatdorf zurück. Wir alle waren froh, dass das Haus noch stand. Etliche Granaten waren zwar eingeschlagen, aber das Dach war nur teilweise zerstört. Vater fand am nächsten Tag zufällig zwischen zwei zerschossenen amerikanischen Militärfahrzeugen ein paar noch gut erhaltene Autoabdeckplanen. Damit konnte er provisorisch die Löcher im Dach flicken, so dass es nicht mehr durchregnete. Meine Mutter machte sich große Sorgen, wovon wir wohl in Zukunft leben sollten.

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Das unbewältigte Trauma

Von Klaus Schwingel

Am 14. Mai 1940 wurde der Stadtkern Rotterdams innerhalb von zehn Minuten dem Erdboden gleichgemacht. Der Angriff der deutschen Luftwaffe war eigentlich nur ein Versehen. Denn aufgrund eines Kommunikationsfehlers war die Bereitschaft der Niederlande zu Kapitulationsverhandlungen nicht rechtzeitig weitergeleitet worden. So starben 900 Menschen aus Versehen, 80 000 wurden aus Versehen obdachlos, eine der schönsten historischen Hafenstädte wurde unwiederbringlich zerstört. An diesem Tag wurde ich geboren. Mein Leben begann in einem Krieg, dessen Folgen uns noch heute, sechzig Jahre danach, begleiten.

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Das verschwundene Fernglas

Von Lutz Menard

Es beginnt schon zu dämmern, als unsere Nachbarn, die alten Friedrichs, an der Wohnungstür klingeln. Ich öffne und muss erst einmal »hochziehen«, bevor ich »guten Abend« sagen kann, denn ein Taschentuch führe ich in meiner Hosentasche nicht. Ich bibbere immer noch vor Kälte. Meine Knie in den kurzen Hosen, auf die ich selbst im Winter nicht verzichten möchte, sind rot und blau gefroren, weil ich den ganzen Tag draußen bei der Versorgung der Flüchtlingstrecks durch das Jungvolk geholfen habe.

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Der letzte Wagon

Von Annemie Fetten-Winklhofer

Fortsetzung von »Pusteblumen im Winter« Sonderzug ins Land des Lächelns Wieder einmal stehen wir in trostloser Dunkelheit und klammer eisiger Kälte mit unseren Gepäckballen und Koffern auf einer fremden Straße in einer Stadt, von der wir nur den Namen kennen: Neuwied. Wir strecken unsere steif gewordenen Glieder nach dieser nervtötenden nächtlichen Busfahrt. Neuwied. Wir sind sozusagen rausgeschmissen worden. Alle sind ausgestiegen, auch die Männer in Zivil. Die werden schon wissen, wie es für sie weitergeht.

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Der Schuss

Von Klaus Schwingel

Aus dem Nichts schossen die metallenen Bestien urplötzlich über dem nahen Horizont empor, um sich sogleich auf die beiden erspähten Opfer zu stürzen. Wie Hornissen rasten sie in geringer Höhe über die unbestellten, kahlen Felder. Das Kind stand gebannt von dem Schauspiel und starrte mit großen, staunenden Augen in das aufblitzende Mündungsfeuer der beiden fliegenden Maschinengewehre. Bauer war noch zu unerfahren, die tödliche Gefahr zu erkennen, er versuchte instinktiv den Lärm abzuwehren und hob die kleinen Hände an die Ohren.

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Die Russen lassen uns laufen

Von Eberhard Schmidt

Ende September 1945 verließ ich mit meiner Mutter die von russischen Truppen besetzte Insel Rügen. Ich war acht Jahre alt. Unser Ziel: den von den westlichen Alliierten kontrollierten Teil Deutschlands zu erreichen. Wochenlang waren wir auf Achse und fragten uns täglich: wie geht es weiter, ohne Proviant und ohne ein Dach über dem Kopf. Wieder im Straßengraben übernachten oder vielleicht doch in einer Scheune unterkriechen? Stets waren wir in panischer Angst, von russischen Patrouillen gefasst oder von Landsleuten denunziert zu werden.

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Ein Stahlhelm voll Milch

Von Karl-Heinz Ganser

Im Herbst 1944 hatten wir unser Dorf vor der anrückenden Front verlassen müssen und waren in den nahe gelegenen Wald gezogen. »Es ist nur für ein paar Tage«, hatte mein Vater gesagt, als wir Bretter, Balken, Bettzeug, einen Tisch, eine Kanne voll Milch, ein Säckchen Kartoffeln und einige Lebensmittel aus der Vorratskammer auf den Pferdewagen luden. »Wir bleiben hier im Wald bis die Amerikaner kommen, dann können wir wieder zurück in unser Haus«, verkündete Vater abends, als die Bretterbude fertig aufgebaut war und wir uns total erschöpft an einem kleinen Feuer wärmten.

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Hans, wir schaffen das schon!

Von Karl-Heinz Ganser

Der November 1944 war besonders kalt und nass. Seit fast zwei Monaten hausten wir nun hier in einer Bretterbude am Waldrand, nachdem wir vor der heranrückenden Front geflüchtet waren. Es war nicht allzu weit entfernt von unserem Heimatdorf. Mein Vater war davon ausgegangen, dass wir wieder heimkehren könnten, sobald die Alliierten unser Dorf eingenommen hätten. »Heute Nachmittag«, so erzählte Vater eines Abends, als wir wieder einmal frierend am prasselnden Feuer vor unserer Behausung saßen, »habe ich deutsche Soldaten getroffen, die mir sagten, dass die Kameraden in den Westwallbunkern den Vormarsch der Amerikaner gestoppt hätten.

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Mein Kriegsende

Von Max Brink

Es waren junge Soldaten. Schüler, gerade 15 Jahre alt, als sie Anfang 1944 als Luftwaffenhelfer zu einer Flugabwehrbatterie eingezogen wurden. Diese lag zum Schutz eines großen Stahlwerkes in Georgsmarienhütte. Ich war einer von ihnen. Und zwar der Jüngste des Jahrgangs 1928, der als letzte Altersstufe zur Flugabwehrkampfwaffe (Flak) verpflichtet wurde. Dreimal in der Woche fuhren wir Jungen zu unserer Schule nach Osnabrück, um neben dem Dienst in der Stellung dennoch das Schulpensum zu erreichen und den geistigen Anschluss nicht zu versäumen.

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Pusteblumen im Winter

Von Annemie Fetten-Winklhofer

Iversheim bei Münstereifel kurz vor Kriegsende Kann man das Leben nennen, das wir hier führen, Anfang Februar 1945? Mit “wir” meine ich unsere übrig gebliebene kleine Familie: die Mama, den Hubert, unser Baby Brigitte und mich. Wir atmen noch in einem ständig von der feindlichen Artillerie beschossenen kleinen Dorf in der Voreifel. - Ja, Iversheim gibt es noch! In den verbauten engen kleinen Fachwerkhäusern ohne Kanalisation leben Menschen - an der Ley, eigentlich müsste es heißen “An der Erft”, denn diese plätschert ins Dorf hinunter.

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Überschäumen (8. Mai 1945)

Von Barbara Becker

Die Milchkanne schlenkert um ihr Handgelenk, schlägt wider Willen gegen einen der Feldsteine am Rand der Dorfstraße, baumelt lange Minuten träge neben der Wiese mit dem Löwenzahn herum, klappert gegen den endlosen Lattenzaun, scheppert lustlos mit dem Deckel und hängt endlich zwischen braunen, grauen, karierten Wollröcken und Tuchjacken dicht über dem kühlen Terrazzofußboden im säuerlichen Dunst des Ladens. Die käsige Luft schwingt vom erregten Flüster-Stimmen-Gewirr. Keine klaren Worte, kein verständlicher Satz.

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Soziale Plastik. Die Kunst der Allmende

Zum 30. Todestag von Joseph Beuys.

Die Reise nach Jerusalem

Roman

Ich bin doch auch ein Hitlerjude

Witze im 3. Reich