Andrew und Bill …

Bill Clinton auf Wahlkampfreise

Im August 1992 bereiste ich mit meinen Eltern die Südstaaten der USA. Unsere Reise führte uns unter anderem auch nach Memphis. Im Radisson Hotel abgestiegen, vernahmen wir schon bald von einem herannahenden Hurricane, der gerade über Florida zog und sich nun bedrohlich New Orleans näherte. Dies wäre unsere nächste Station auf der Reise gewesen. So kam es, dass wir uns zwischen Graceland, Raddampfer-Fahrt auf dem Mississippi und anderen Aktivitäten regelmäßig im Hotelzimmer einfanden, um den Weather Channel zu konsultieren. Und tatsächlich: Hurricane Andrew hatte New Orleans in sein bedrohliches Auge gefasst und drohte damit, unsere Reisepläne ziemlich zu durchkreuzen. Unzählige Faxe und Telefonate mit unserem Reisebüro in der Schweiz führten letztendlich dazu, dass wir unseren Aufenthalt in Memphis unfreiwillig verlängerten und die Hotelreservation in New Orleans annullierten. Aus geplanten 2 wurden 5 Tage Memphis. Doch soviel bietet dieses beschauliche Städtchen eigentlich gar nicht. Die Besichtigungen nahmen ab, der Fernsehkonsum zu. Der Weather Channel hielt uns auf dem Laufenden und bestätigte, dass unsere Entscheidung richtig war.

Eines schönen Morgens während unseres verlängerten Aufenthaltes saßen wir gerade beim Frühstück. Vom Speisesaal aus sah man auf das vis-à-vis gelegende andere Hotel namens The Peabody. Plötzlich beobachteten wir, wie Dutzende von Polizeifahrzeugen und -Motorräder heranfuhren und parkierten. Polizisten stiegen aus und verharrten ruhig bei ihren Fahrzeugen. Zuerst beunruhigte uns dieser Aufmarsch doch sehr, aber als wir erkannten, dass keinerlei Hektik zu spüren war, schlug unsere Beängstigung in Neugier um: »Was ist hier eigentlich los?« Immer mehr Polizeifahrzeuge kamen hinzu. Irgendwann wurde die kleine Seitenstraße zwischen den Hotels abgeriegelt - ganz vorne über die ganze Straßenbreite Polizei-Motorräder.

Mittlerweile saßen wir schon fast eine Stunde beim Frühstück und schauten fasziniert dem Treiben da draußen zu. Meine Mutter, absoluter Fan von amerikanischen Polizeifahrzeugen, beschloss nun endlich, ihre Videokamera und meine Fotokamera vom Zimmer zu holen, um diesen Aufmarsch (und vielleicht irgendwann auch einmal dessen Ursache) festzuhalten. Wir beschlossen, raus auf die Straße zu gehen, um Näheres zu erfahren, denn unsere Hotelangestellten wussten von nichts. Natürlich ist auch anderen Personen dieser Polizeiaufmarsch nicht entgangen und so fanden sich auf den Trottoirs schon einige Menschen ein. Wir stellten uns dazu. Niemand der Zuschauer wusste allerdings mehr als wir. So beschloss ich, einfach ins Hotel reinzugehen und dort jemanden geradewegs zu fragen. Gesagt getan. Die Antwort war so kurz wie meine Frage, mein Staunen dafür um so länger: Bill Clinton hat im Hotel genächtigt und wird demnächst das Hotel verlassen. Zusammen mit seiner Frau und Al Gore mit Gattin. Na, das nenne ich doch Abwechslung in diesen eher öden Tagen! Und so reihten wir uns wieder auf dem dem Hotel gegenüberliegenden Trottoir ein und harrten der Dinge. Polzei kam und ging. Irgendwann begannen Limousinen unterschiedlichster Größe vorzufahren und zu parkieren. Sicherheitsbeamte in Anzügen mit Pistolen unter der Jacke und mit Funkgeräten begannen sich zu postieren. Einer kam auf unsere Straßenseite und wies uns darauf hin, dass die Straße nicht betreten werden dürfe, sobald sie abgesperrt werde. Mittlerweile waren ca. 2 1/2 Stunden vergangen seit dem Beginn unserer Beobachtungen beim Frühstück.

Und plötzlich kam Hektik in das Ganze. Polizeibeamte setzen sich auf ihre Motorräder und starteten sie. Polizeiwagen sperrten zuerst die Gegenfahrbahn, dann auch die andere vollständig ab. Sicherheitsbeamte begannen nervös in die Menge zu blicken, als ob sie mit Blicken eine Leibesvisitation vornehmen wollten. Funkgeräte begannen zu krächzen und knacksen. Einige Motorräder fuhren aus der Seitenstraße auf die Hauptstraße raus und brachten sich vor einem Polizeiwagen in Position - der Konvoi wurde vorbereitet. Ein Chauffeur begann, sich einer dunklen Limousine zu nähern, schaute kurz um sich und stieg ein. Bald darauf fuhr er vor den Hoteleingang. “Jetzt!”, dachte ich mir. Mittlerweile war ich schon richtig nervös. Sicherheitsbeamte gingen rein - und kamen alleine wieder raus. Autos wurden gestartet. Dann. Die Türe wurde geöffnet. Die dunkle Limousine war startklar. Alle blickten gespannt zum Eingang. Dann kam eine Menschengruppe. Mittendrin: Al Gore mit Frau. Sie wurden zuerst in den Wagen gesetzt. In den einzigen dunklen, erstaunlicherweise. Eine Täuschung für allfällige Übeltäter? Jeder nahm an, dass die große, dunkle Limousine für Bill Clinton sein würde. Viele applaudierten, schwenkten Wahlkampf-Tafeln mit Slogans. Blitzlichter und Zurufe. Keine Presse, das erstaunte mich. Die Gores stiegen ein und sofort setzte sich die Limousine mit Begleitfahrzeugen in Bewegung - gleich an der nächsten Kreuzung bogen sie ab und entschwanden unseren Blicken. Neue Aufmerksamkeit nun also auf den Hoteleingang. Nach weiteren ca. 15 Minuten kamen sie also endlich: Bill und Hillary Clinton. Sie blieben kurz stehen und winkten - eine schöne Erinnerung fürs Album und das Viedoarchiv! Sie stiegen dann übrigens in eine eher unscheinbare, beige Limousine. Ebenfalls unter Begleitung von diversen Polizeiautos, -Motorrädern und anderen Limousinen fuhren sie davon. Und plötzlich war der Spuk vorbei. Die Straßensperre wurde aufgehoben, die Sicherheitsbeamten waren plötzlich wie vom Erdboden verschluckt, und wir standen da und glotzten, so dass jeder Unbeteiligte sich wahrscheinlich fragte, was wir hier mitten auf einem Trottoir rumstehen und Löcher in die Luft gaffen. 3 Stunden waren mittlerweile vergangen. Aber wir waren um eine schöne Erinnerung reicher, denn im darauffolgenden November erfuhren wir, dass wir damals im Memphis den künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gesehen hatten - und all’ dies dank Andrew…

Schlussbemerkung: Hurrican Andrew verschonte New Orleans übrigens, wir aber fuhren von Memphis direkt nach Florida weiter.

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