Flucht

Das rote Fenster

Von Urte Skaliks

Gemurmel im Hintergrund. Ihre Gäste reden von der Angst vor Kellergespenstern. Renates Gedanken driften in frühere Zeiten ab. Die Sirene heult ums Haus. Alte Bücher auf dem Speicher, ein Gesangbuch, »Bis hierher hat mich Gott gebracht…«. Tiefflieger, krachende Äste, heulender Sturm. Hinter einem kleinen Fenster, einem Ausschnitt im Dunkel, der tiefrote Himmel. Diese Erinnerungen plötzlich. Bilder, Rufen. »Mutter! Mutter!«, »Ruhe hier, was sollen denn die Kinder denken? Gehen Sie endlich wieder da hinten hin und bleiben Sie bei den anderen sitzen!

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Der letzte Wagon

Von Annemie Fetten-Winklhofer

Fortsetzung von »Pusteblumen im Winter« Sonderzug ins Land des Lächelns Wieder einmal stehen wir in trostloser Dunkelheit und klammer eisiger Kälte mit unseren Gepäckballen und Koffern auf einer fremden Straße in einer Stadt, von der wir nur den Namen kennen: Neuwied. Wir strecken unsere steif gewordenen Glieder nach dieser nervtötenden nächtlichen Busfahrt. Neuwied. Wir sind sozusagen rausgeschmissen worden. Alle sind ausgestiegen, auch die Männer in Zivil. Die werden schon wissen, wie es für sie weitergeht.

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Die Russen lassen uns laufen

Von Eberhard Schmidt

Ende September 1945 verließ ich mit meiner Mutter die von russischen Truppen besetzte Insel Rügen. Ich war acht Jahre alt. Unser Ziel: den von den westlichen Alliierten kontrollierten Teil Deutschlands zu erreichen. Wochenlang waren wir auf Achse und fragten uns täglich: wie geht es weiter, ohne Proviant und ohne ein Dach über dem Kopf. Wieder im Straßengraben übernachten oder vielleicht doch in einer Scheune unterkriechen? Stets waren wir in panischer Angst, von russischen Patrouillen gefasst oder von Landsleuten denunziert zu werden.

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Drei Äpfel und eine Jauchegrube

Von Ute Eppich

Der Winter 1946/47 war bitterkalt. Wir froren jämmerlich, hatten weder gute warme Bekleidung, noch Geld, um Kohlen zu kaufen. Wir, das waren meine Mutter, meine zwei Geschwister und ich, sechseinhalb Jahre jung. Wir waren zwei Jahre zuvor in einem in Polen noch eisigeren Winter in einem offenen Viehwaggon aus Posen geflüchtet. Dabei waren mir beide Beine bis zu den Knien erfroren. Zwei Jahre später litt ich noch immer an den Folgen dieser Erfrierungen.

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Flucht aus Wimmersbüll

Von Lutz Menard

Wir, meine Mutter, meine zwei Jahre jüngere Schwester (10) und ich, waren nach der Vertreibung aus unserer pommerschen Heimat im April 1946 und einer gar nicht lustigen Seefahrt von Stettin nach Travemünde auf einem ehemaligen deutschen Truppentransporter im Auffanglager Wimmersbüll bei Niebüll in Schleswig gelandet. Und bald fürchteten wir nichts so sehr, als unser weiteres Leben auf einer Sanddüne fristen zu müssen. Doch eines Tages hieß es, dass wir auf Dauer bei einer Familie im Dorf eingewiesen werden sollten.

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Flucht und Ausweisung

Von Barbara Siwik

Zu meinen Kindheitserinnerungen gehören verdunkelte Fenster, Sirenen und überstürzte Fluchten in den Luftschutzkeller. Jede harmlose Sirenenübung der Feuerwehr jagt mir noch heute einen Schauer den Rücken hinunter, weil der Ton gekoppelt ist an diese nächtlichen Vorgänge, die mehr als ein halbes Jahrhundert zurückliegen. Als die Front damals näher rückte, blieb es nicht mehr bei der nächtlichen Flucht in den Luftschutzkeller. Die Bevölkerung der östlichen Gebiete Deutschlands wurde evakuiert. Das war im Februar 1945.

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Hans, wir schaffen das schon!

Von Karl-Heinz Ganser

Der November 1944 war besonders kalt und nass. Seit fast zwei Monaten hausten wir nun hier in einer Bretterbude am Waldrand, nachdem wir vor der heranrückenden Front geflüchtet waren. Es war nicht allzu weit entfernt von unserem Heimatdorf. Mein Vater war davon ausgegangen, dass wir wieder heimkehren könnten, sobald die Alliierten unser Dorf eingenommen hätten. »Heute Nachmittag«, so erzählte Vater eines Abends, als wir wieder einmal frierend am prasselnden Feuer vor unserer Behausung saßen, »habe ich deutsche Soldaten getroffen, die mir sagten, dass die Kameraden in den Westwallbunkern den Vormarsch der Amerikaner gestoppt hätten.

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Lappen Ella

Von Heidrun Schaller

Räume, Orte, Menschen, Fahrzeuge, ein wirres Kaleidoskop. Immer wieder einpacken, aufbrechen. Die »Lappen Ella« an die Brust gedrückt. Ihr, der Lumpenpuppe, flüsternd Geschichten erzählen, sie aufmuntern, um die eigene Angst zu verlieren. Einer Liebe, die in all dem Chaos Sicherheit, Geborgenheit gibt, damit Angst und Schrecken, die permanente Ungeborgenheit nicht überhand nehmen, sich nicht ausbreiten, nicht lähmen oder sich in einem Gebrüll zur falschen Zeit Bahn brechen: »Um Gottes Willen Kind, sei bloß still, du bringst uns noch alle ins Grab!

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Pusteblumen im Winter

Von Annemie Fetten-Winklhofer

Iversheim bei Münstereifel kurz vor Kriegsende Kann man das Leben nennen, das wir hier führen, Anfang Februar 1945? Mit “wir” meine ich unsere übrig gebliebene kleine Familie: die Mama, den Hubert, unser Baby Brigitte und mich. Wir atmen noch in einem ständig von der feindlichen Artillerie beschossenen kleinen Dorf in der Voreifel. - Ja, Iversheim gibt es noch! In den verbauten engen kleinen Fachwerkhäusern ohne Kanalisation leben Menschen - an der Ley, eigentlich müsste es heißen “An der Erft”, denn diese plätschert ins Dorf hinunter.

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Was Schlimmes

Von Barbara Becker

Dunkel war es gewesen, als die Mutter sie geweckt hatte. Sie hatte über das Hemdchen das Leibchen und darüber zwei Pullover und auch noch die Strickjacke anziehen müssen, und zwei Röcke. Eng war es im Mantel, gar nicht richtig warm, als sie in der kalten Januarluft zum Bahnhof trabten, die Mutter mit dem Koffer, der großen Tasche und dem Rucksack und sie mit den Schwestern an der Hand, Anna und Stänzel.

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Soziale Plastik. Die Kunst der Allmende

Zum 30. Todestag von Joseph Beuys.

Die Reise nach Jerusalem

Roman

Ich bin doch auch ein Hitlerjude

Witze im 3. Reich